Das Ziel von Innovation ist neue Ideen zu generieren. Man kann von einem Störfaktor ausgehen, um ein offensichtlich „störendes“ Problem auf neuartige Weise zu lösen. Ein gutes Beispiel ist das Smartphone. Es hat aus Telefonie, SMS und primitivem Snake Game ein Gerät gemacht, mit dem man heutzutage fotografiert (mittlerweile sogar in bester Qualität), Musik hört, im Internet surft, chattet, emailt, bezahlt, sich navigiert, sich abreagiert (von Angry Bird bis Pokémon) und was weiss ich noch was alles anstellt. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich in der rechten Hosentasche ein 3210 Nokia Telefon und einen 128 MB MP3 Player hatte, in der linken Hosentasche meine ultradünne 2 Megapixel-Exilim zum Fotografieren und in der Gesässtasche mein Portemonnaie mit Geld (ja, Bargeld!), Karten und einem etwas vergilbten Foto meiner Liebsten. Ach wie hätte ich mir damals ein Gerät gewünscht, das alles integriert. Dafür bin ich nie mit einem Pokémon Go-Spieler auf offener Strasse kollidiert.:-)
Natürlich kann Innovation auch ein verstecktes Problem angehen, welches die Menschheit zwar hat, aber sich ebenso auch daran gewöhnt hat damit zu leben. Das sind die knackigen Innovationen. Man merkt plötzlich: „Hey, das ist ja voll praktisch“. Ein Beispiel ist Youtube, als Vorreiter von TV on Demand. Wer hätte vor zwanzig Jahren gedacht, dass man sich mal sein TV-Abendprogramm individuell aussuchen kann? Wer nicht genug von süssen Katzenfilmen bekommt, der hat heute die Möglichkeit sich einen Feierabend lang mit pelziger Putzig- und Patzigkeit voll zu dröhnen. Sogar auf dem Klo.
Ist der Störfaktor identifiziert wird gebrainstortmt, wie man das Problem am besten löst. Irgendwann entscheidet man sich für die beste Lösung und macht ein Projekt daraus. Man konzentriert sich von nun an auf das Produkt, die App oder die Dienstleistung, welche das Problem löst. Bestenfalls macht man das ganze auf Lean und testet schrittweise den Erfolg am Markt. Ferner entwickelt man ein Geschäftsmodell, tüftelt weiter, macht einen Prototypen, passt diesen an, produziert eine Kleinmenge, macht ein erstes Release in einem Testmarkt und irgendwann ist man so weit, dass man den Markt erschliessen kann. Wenn alles so einfach wäre, dann würde ich diesen Blogeintrag nicht schreiben…
Worauf ich in diesem Beitrag hinaus will, ist ein kleines aber wichtiges Detail, welches man in der Hitze des Gefechtes (und in der Überzeugtheit des Erfolgs seiner Innovation) schnell vergisst: Die Value Proposition, also das Nutzen- oder Wertversprechen an den Endkunden. Es gibt verschiedene Tools, die Value Proposition zu beleuchten (z.B. die Value Proposition Canvas). Auf folgende Details möchte ich hinweisen, weil ich mit dieser Thematik gegenwärtig auch bei einem Projekt in meinem Innovations-Studium konfrontiert bin:
Relevant ist der Nutzen, welcher die Innovation für meinen Kunden stiftet.
- Was ist die Aufgabe des Kunden (das ungelöste Problem)?
- Was ist das wahre Bedürfnis des Kunden?
- Welchen Nutzen generiert meine Innovation? Löst sie die Aufgabe? Welche Bedürfnisse befriedigt sie?
- Besteht Kongruenz zwischen Problem, Bedürfnis und Nutzen?
- Wie, wann, womit und wo genau wird Wert erzeugt, indem das latente Bedürfnis befriedigt wird?
Isolierte Betrachtung des Nutzens.
- Der Nutzen ist das, was der Kunde eigentlich kaufen will. Nicht in erster Linie das innovative Produkt mit seiner zu lösenden Aufgabe.
- Man soll den Nutzen nicht mit dem Produkt gleichsetzen, denn dieses ist ja nur die Erfüllungshilfe dazu.
- Nutzen (User Experience, eine Vereinfachung im Leben, Komfort, Geld- oder Zeitersparnis etc.) und zu lösende Aufgabe (Funktion) sind zwei Paar Schuhe!
- Was der Kunde will kann sich unterscheiden von dem, was die Innovation kann.
- Man darf also ruhig den erzeugten wahren Nutzen auch einmal total losgelöst vom eigentlichen Produkt und Geschäftsmodell betrachten.
Die zu lösende Aufgabe des roten Ferraris meines Nachbarn besteht zwar darin, ihn von A nach B zu bringen. Aber der wirkliche Kundennutzen ist ein ganz anderer. Er will damit symbolisieren: „Ich bin wohlhabend, ich habe Style, ich verwirkliche meine Träume“. Genau darauf dürfte das Geschäftsmodell von Ferrari aufgebaut sein.
Nun, nicht jeder hat einen Ferrari. Aber alle stellen sich gelegentlich der Aufgabe von A nach B zu gelangen. Darum gibt es weitere Möglichkeiten wie z.B. den öffentlichen Verkehr, das Fahrrad oder das (Alltags-) Auto. Dies sind also Transportmittel, Lösungen oder verschiedene Innovationen im Verkehr. Abhängig vom gewünschten Nutzen ist meine Wahl eine andere: Ich wähle den öffentlichen Verkehr für weite Strecken, um die Reisezeit zum Lesen, Bloggen oder Entspannen zu nutzen. Wenn ich mit dem Fahrrad zur Arbeit gehe, mache ich dies, um mich sportlich zu betätigen. Oder ich steige ins Auto, um Freunde zu treffen, damit ich flexibel bin und angesichts der drohenden Regenwolken trocken wieder nachhause komme. Auch hier lassen sich wiederum ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle ableiten. Wer mit offenen Augen durch die Welt läuft, erkennt dies z.B. auch an den Plakaten mit Werbebotschaften für Generalabonnement, E-Bikes oder den neuen Fiat.
Ein gutes Geschäftsmodell definiert sich über seine Fähigkeit ein echtes (sei dies nun erkannt oder noch nicht erkannt) Problem zu lösen. Bedeutsam ist schlussendlich einzig und alleine der Nutzen, welcher die Innovation für den Kunden stiftet! Beim nächsten Brainstorming zur Geschäftsidee oder zu einem neuen Geschäftsfeld lohnt es sich also über den Nutzen nachzudenken, diesen genau zu analysieren und ins Geschäftsmodell einfliessen zu lassen. Um dieses Detail nicht zu vergessen: Erinnert euch einfach an den roten Ferrari.
“Your customers are the judge, jury, and executioner of your value proposition. They will be merciless if you don’t find fit!” – Alexander Osterwalder
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Quellen:
Quote: https://www.goodreads.com/work/quotes/41735707-value-proposition-design-how-to-create-products-and-services-customers