Obwohl ein Businessplan gemäss vielen Verfechtern der Lean-Startup-Methodik nicht wirklich zum Lean-Startup-Konzept passt, gibt es einen Ausweg aus der misslichen Situation. Diesem Thema habe ich eine meiner Semesterarbeiten in meinem EMBA gewidmet. Dabei habe ich viel Literatur-Recherche betrieben, die ich euch aber hier in meinem Blog ersparen möchte. Darum gibt’s nur die Facts – wer Figures will, der kann ja in den ausführlichen Quellenangaben stöbern, oder eine digitale Kopie meiner Semesterarbeit bestellen (innovationzuerfolg@gmx.ch).:-)
Der Businessplan
Der Businessplan ist ein lineares Dokument, das den Verfasser dazu zwingt, eine Geschäftsidee hinsichtlich Ziel, Strategie, Finanzen, Konzept etc. strukturiert zu durchdenken. Die Kapitel sind bei allen Quellen sehr ähnlich definiert und reichen von der Beschreibung des Produktes/Dienstleistung über Markt-, Kunden- und Konkurrenzanalyse bis hin zu Chancen, Risiken und einem in die Zukunft projizierten Finanzplan. Viele der Inhalte eines Businessplans beruhen auf Annahmen. Alle „älteren Semester“ der studierten Ökonomen und höchstwahrscheinlich auch die jüngeren Bachelors kennen wohl dieses wichtige, statische Dokument.
Das Lean-Startup
Das Ziel eines Lean-Startups ist so schnell wie möglich ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. In kurzen Zykluszeiten werden kontinuierlich Kundenfeedbacks zur Validierung des Prototyps eingeholt, welcher mit minimalem Ressourceneinsatz hin zum Product-Market-Fit entwickelt wird. Eric Ries und Steve Blank sind die Begründer der Lean-Startup Methode, welche von anderen klugen Köpfen weiterentwickelt und ausgeklügelt wurde.
Fünf Massnahmen für den richtigen Weg
Wie kann vor dem Hintergrund der Lean-Startup-Methode am effizientesten ein Businessplan erstellt werden? Eine schwierige Frage, worüber sich die Experten streiten. Während die Experten miteinander debattieren, habe ich fünf Massnahmen dazu zusammengestellt:
- Der Empfänger des Businessplans und das Entwicklungsstadium des Unternehmens bestimmen die individuelle Ausarbeitungstiefe des Businessplans.
- Die fünf Grundprinzipien des Lean-Startups (Entrepreneurgeist, professionelles Management, validiertes Lernen, Feedbackschleife „bauen, testen, lernen“ und Innovationsbilanz) werden berücksichtig.
- Das minimal funktionsfähige Produkt (Prototyp) sowie die Experimente zu dessen Validierung werden beschrieben.
- Das Geschäftsmodell und der Businessplan wachsen mit der Geschäftsidee – angefangen bei der Business Model Canvas (oder der Lean Canvas), über den „Businessplan Light“ (=Vorstufe eines Businessplans) bis hin zum traditionellen Businessplan.
- Präzise Zahlen und Angaben im Finanzteil werden erst gemacht, wenn diese bekannt sind/validiert wurden. Zuvor hilft eine „Schattenrechnung“ die Eigenleistungen zu erfassen.
Als erstes ist also zu klären, ob überhaupt ein Businessplan notwendig ist. Ein solches Dokument ist beispielsweise von Nutzen (wenn nicht sogar vorausgesetzt) wenn man Banken zwecks einer Finanzierung anfragen möchte, bei Eigentümerwechseln oder beim Einstieg neuer Geschäftspartner. Für jemanden, der in der Orientierungsphase über einer neu geschlüpften Idee brütet, ist es dementsprechend kaum sinnvoll bereits einen umfangreichen Businessplan zu schreiben und diesen auf Hochglanzpapier zu drucken. Schade um das Papier, denn die Variablen werden sich noch einige Male ändern. Auch in der anschliessenden Planungsphase bringt einem der Businessplan (trotz der Ähnlichkeit der beiden Wörter) noch nicht weit. Die Energie sollte besser in die Konzeption des Angebotes und die Entwicklung des Geschäftsmodells gelenkt werden. In der späteren Gründungs-, Aufbau- oder Wachstumsphase eines Unternehmens macht die Erstellung eines Businessplans (oder Teile daraus) aber durchaus Sinn (siehe Grafik).
Über die fünf Grundprinzipien eines Lean-Startups möchte ich in diesem Blogpost nicht gross philosophieren. Diese müssen in einem Businessplandokument explizit oder implizit erwähnt werden, denn darüber charakterisiert sich (unter anderem) ein Lean-Startup.
Der Prototyp wird im Lean-Fachjargon „minimal funktionsfähiges Produkt“ genannt. Das ist etwas salopp ausgedrückt das (oftmals noch nicht final konzipierte) Produkt, welches man seinen Kunden (oder einer spezifischen Gruppe daraus) vorlegt, um es durch ihre Interaktion oder Benutzung unter realen Bedingungen zu testen. In schnellen Zyklen werden Schwächen eliminiert und das Produkt optimiert – quasi Updates herausgegeben und weiterentwickelt. In einer Experimentationsphase wird das Produkt validiert. Der allfällige Businessplan eines Lean-Startups beschreibt dieses Vorgehen detailliert.
Nehmt euch auf jeden Fall eine Business Model Canvas von Osterwalder oder die Lean Canvas von Maurya zur Hilfe, bevor ihr gross über einen Businessplan nachdenkt. Diese Tools helfen einem die Value Proposition und das Geschäftsmodell verständlich und visuell zu beschreiben, sowie die Logik darzustellen, mit welcher das Unternehmen Geld verdient. Und nicht vergessen, beim Lean-Startup geht es darum das Geschäftsmodell und die Value Proposition an realen Kunden zu testen und gegebenenfalls anzupassen – ziert euch nicht mehrere Geschäftsmodelle zu entwerfen und diese, wenn sie nicht taugen, allesamt wieder über Bord zu werfen.
Der Finanzteil wird erst in einer späten Phase erstellt („Extrem-Leaner“ würden sagen, wenn es nicht mehr ohne geht). Anstelle eines Finanzplans erstellt man zunächst eine Innovationsbilanz mit Kriterien, woran man die inkrementellen Entwicklungsschritte seines Lean-Startups misst. Fallen hohe Initialkosten an, macht es allenfalls Sinn, sich bereits in dieser Phase erste Gedanken zum Finanzplan zu machen. Ich empfehle von Beginn an die Eigenleistungen in einer „Schattenrechnung“ zu erfassen und diese mit einem Stundensatz zu bewerten – im Falle, dass man z.B. die Idee bereits in einer frühen Phase verkaufen oder das Projekt in ein anderes Unternehmen integrieren möchte. Wird das Projekt in einem Team entwickelt, hilft diese Rechnung auch zu messen wie viel Aufwand jede Person in das Projekt steckt.
Businessplan für Lean-Startup
Obwohl Businessplan und Lean-Startup-Methode teilweise unterschiedliche Schwerpunkte haben und verschiedene Ansätze verfolgen, sind die Ziele identisch: Sich klare Vorstellungen zum Unternehmen machen, Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken aufzuzeigen sowie Ziele, Strategie und Geschäftsmodell zu beschreiben. Beim Lean-Startup wird das Geschäftsmodell „am Kunden“ entwickelt. Das Experimentieren (validiertes Lernen) und Innovieren stehen im Vordergrund. Beim Businessplan sind viele Fakten schon bekannt oder werden angenommen. Der Schwerpunkt liegt auf dem linearen Planen (starker Fokus auf dem Finanzplan) und Recherchieren.
Beim Businessplan für ein Lean-Startup geht es nicht darum, gewisse Kapitel des Businessplans auszulassen. Vielmehr werden diese zu Beginn in die Bausteine der Business Model Canvas integriert und anders strukturiert. Die Business Model Canvas eignet sich vor allem, um in den frühen Entwicklungsphasen des Startups das Vorhaben übersichtlich und verständlich darzustellen und daraus ein „Businessplan Light“ zu entwerfen. Je weiter sich das Unternehmen entwickelt und auf institutionelle Geldgeber angewiesen ist, desto mehr bewegt sich die Ausarbeitung des Businessplans zwangsläufig hin zum klassischen Modell. Einerseits weil diese Form der Unternehmensdarstellung von solchen Institutionen vorausgesetzt wird und andererseits, werden die verfügbaren Informationen konkreter, so dass das Unternehmen bereits auf eine eigene Historie und Erfahrungswerte zurückgreifen kann. Die oben beschriebenen fünf Massnahmen für den richtigen Weg müssen aus in späteren Varianten des Businessplans berücksichtigt werden.
Die folgende Darstellung ist eine Zusammenfassung der vorgeschlagenen Massnahmen zur Erstellung eines Businessplans für ein Lean-Startup. Sie stellt die möglichen Kapitel (Inhalte) eines Businessplans dem Entwicklungsstadium des Unternehmens sowie dem potenziellen Empfänger eines Businessplan-Dokuments gegenüber. Die gelben Felder beziehen sich auf die neun Bausteine der Business Model Canvas.
https://www.innovationzuerfolg.ch/wp-content/uploads/sites/58/2016/09/006-bp-fc3bcr-lean-startup-matrix.png
„Jeder hat einen Plan, bis er eine aufs Maul kriegt“ – Mike Tyson
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Quellen:
Blank Steve: Blowing up the Business Plan at U.C. Berkeley Haas Business School.
Blowing up the Business Plan at U.C. Berkeley Haas Business School
Blank, Steve: Why the Lean-Startup Changes Everything. Harvard Business Review (2013) Nr. 5. Reprint R1305C.
Business Model Canvas für Startups und Corporates.
Cavadini, Adriano: Businessplan einfach, schnell, wirksam. 1. Auflage. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2006
Deutsche Startups: Investitionsphasen.
http://www.deutsche-startups.de/lexikon/investitionsphasen/
Dorizzi, Franco; Stocker Pascal O: Der Businessplan. Von der Idee zur Umsetzung. 4. Auflage. Verlag SKV Zürich 2011
Entrepreneur: Tim Berry – Lean Startups Need Business Plans, Too.
http://www.entrepreneur.com/article/223878
Handelszeitung: Klassische Businesspläne sind für mich tot.
http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/klassische-businessplaene-sind-fuer-mich-tot-498561
Huber, Daniel; Kaufmann, Heiner; Steinmann Martin: Bridging the Innovation Gap – Bauplan des innovativen Unternehmens. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
Maurya, Ash: Running Lean. Das How-to für erfolgreiche Innovationen. 2. Auflage. O’Reilly Verlag Köln 2013
Osterwalder, Alexander; Pigneur, Yves: Business Model Generation. Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer und Herausforderer. 1. Auflage. Campus Verlag GmbH Frankfurt 2011
Ries, Eric: Lean Startup. Schnell, risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen. 3. Auflage. Redline Verlag München 2014
Startwerk: Alexander Osterwalder im Interview.
Alexander Osterwalder im Interview: «Löst euch vom reinen Produktedenken»
Up To eleven: Startup Life is a Rollercoaster: Der Startup-Lebenszyklus.
Venture Best – Paul Jones: Why almost every Startup needs a Business Plan (Lean Startups, too).
http://entrepreneurwisconsin.com/tag/paul-jones/
Winistörfer, Norbert: Ich mache mich selbständig. Von der Geschäftsidee zur erfolgreichen Firmengründung. 13. Auflage. Axel Springer Schweiz 2013